„MATTHÄUS-PASSION“: Die Bühne wird zum Altar

Inszenierung der „Matthäus-Passion“ am Hessischen Staatstheater Wiesbaden

Das große Haus des Staatstheaters Wiesbaden war voll: Die „Matthäus-Passion“ von Johann Sebastian Bach feierte am 19. Januar 2020 Premiere. Die Regisseurin Johanna Wehner hat dabei die Wiesbadener Bühne in einen Altar verwandelt.

Die oratorische Matthäus-Passion von Johann Sebastian Bach, für den Karfreitag geschrieben, erlebt man nur selten in einem Theater. Das Stück über das Leiden und Sterben von Jesu Christi wurde 1727 in der Thomaskirche in Leipzig aufgeführt und gilt seitdem als ein sakrales Meisterwerk. Die Opernaufführung am Staatstheater Wiesbaden ist insofern gewagt und gewaltig zugleich.

Nur Jesus trägt ein weißes Hemd. Alle anderen sind schwarz gekleidet.

Schon das Bühnenbild von Volker Hintermeier ist umwerfend. Ein überdimensionales Kreuz schräg auf der Bühne liegend und mit dem Ende weit in den Orchestergraben hineinragend nimmt die Bühne fast komplett ein. Wenn die Schauspieler bis ans Ende des Kreuzes kommen, scheint es, als würden sie in diesen Graben fallen. Vom Kreuz aus gehen Metallbanken stufig nach oben, welche mit Metallstäben verbunden ein weiteres Kreuz, die Beleuchtung, tragen. Das Holz, aus dem das Kreuz gemacht ist, knackt unter den Füßen der Schauspieler und vermittelt somit den Eindruck, als wäre man in einer mittelalterlichen Kirche mit altem Holzboden.

Das Bühnenbild mit dem riesigen Kreuz fasziniert.

Die Schauspieler sind schwarz gekleidet. Nur Jesus trägt ein weißes Hemd, das lässig über die schwarze Hose fällt. Bis auf ein paar Stühle, gibt es keine weiteren Requisiten. Die Aufführung dauert über drei Stunden und es passiert eigentlich kaum etwas. Die Schauspieler treten nacheinander auf und singen ihre Arien oder Rezitative. Das Stück stellt ein semantisches Spiel von Gestik und Mimik dar. Proxemik, eine Bewegung im Raum, kommt kaum zum Einsatz. Dadurch wirkt die Inszenierung sehr statisch und zieht sich ein wenig.

Vor diesem Hintergrund rütteln Arien, die ohne Musik gesungen werden, die Zuschauer richtig wach. Typisch für einen Gottesdienst in einer russisch-orthodoxen Kirche, überwältigen sie das Publikum und versetzen es in Trance. Dies verleiht den Charakteren in „Matthäus-Passion“ eine besondere Tiefe. Das große Haus des Staatstheaters bleibt still und nur die Stimmen der Schauspieler füllen diesen jahrhundertealten Theaterraum.

Arien, die ohne Musik gesungen werden, rütteln die Zuschauer richtig wach.

Die Bühne wird zum Altar und das Publikum zur Kirchengemeinde, die aber nicht mitsingt und das Geschehen nur beobachtet. Das Stück kommt ohne Zwischenapplaus aus, die Zuschauer sind wie hypnotisiert. Nach insgesamt dreieinhalb Stunden mit Pause dankt das Publikum mit dem die Spannung auflösenden Beifall.

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Aufführungstermine hier.

Besetzung

Musikalische Leitung Konrad Junghänel
Inszenierung Johanna Wehner
Bühne Volker Hintermeier
Kostüme Su Bühler
Chor Albert Horne, Christoph Stiller
Jugendchor Niklas Sikner
Licht Andreas Frank
Dramaturgie Katja Leclerc
Theaterpädagogik Luisa Schumacher